Der neue AEVO-Rahmenplan: Zukunftsorientiert ausbilden

Seit dem 1. Juli 2024 gilt ein überarbeiteter Rahmenplan für die Ausbildereignungsprüfung. Während die Ausbildereignungsverordnung (AEVO) selbst nicht verändert wurde, wurde der Rahmenplan inhaltlich und methodisch an die aktuellen Herausforderungen einer zeitgemäßen Ausbildung angepasst. Ziel ist es, Ausbilderinnen und Ausbilder besser auf ihre Rolle in einer dynamischen, digitalen und vielfältigen Ausbildungswelt vorzubereiten.

AEVO Rahmenplan

Der neue Rahmenplan legt großen Wert auf pädagogische Professionalität, Medienkompetenz, interkulturelle Sensibilität und nachhaltiges Denken – und das bei gleichzeitiger Klarheit und Praxisnähe. Doch was hat sich konkret verändert und wie genau können künftige Ausbilderinnen und Ausbilder von den neuen Inhalten profitieren? Schauen wir uns die neuen Schwerpunkte einmal im Überblick an.

1. Pädagogisches Selbstverständnis: Vom Fachvermittler zum Lernprozessbegleiter

Moderne Ausbilder sind nicht mehr nur Fachkräfte, die die Aufgabe haben, ihr Wissen pädagogisch sinnvoll und nachvollziehbar zu vermitteln. Sie übernehmen zunehmend die Rolle eines Lernbegleiters. Das bedeutet:

  • Sie sorgen für lernförderliche Bedingungen und schaffen eine motivierende, unterstützende und wertschätzende Lernkultur in ihrem Unternehmen.
  • Sie ermitteln den jeweiligen Lernbedarf ihrer Azubis.
  • Sie fördern die Lernenden ganz individuell entsprechend der spezifischen Stärken, Interessen und Entwicklungspotenziale.
  • Sie erkennen mögliche Lernhemmnisse und bauen diese gezielt ab.
  • Sie gestalten Lernprozesse aktiv gestalten und reflektieren diese gemeinsam mit den Azubis.
  • Sie fördern bewusst selbstgesteuertes und selbstverantwortliches Lernen mit dem Ziel, die berufliche Handlungskompetenz der Azubis zu Stärke.

 

Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von fachlichen Inhalten und methodischen, sozialen oder persönlichen Kompetenzen, sondern auch um folgende Fragen: Wie lernt der einzelne Auszubildende am besten? Welche Lernstrategien und -techniken können Lernprozesse gezielt unterstützen? Welche Ressourcen sind bereits vorhanden? Wie können Lernfähigkeit und Lernbereitschaft der Azubis bewusst gestärkt werden? Welche Kompetenzen werden noch benötigt?

2. Mehr Fokus auf Didaktik und Methodik

Der neue Rahmenplan stärkt die didaktischen Kompetenzen der zukünftigen Ausbilderinnen und Ausbilder. Das umfasst unter anderem:

  • Die Definition von konkreten individuellen Lernzielen.
  • Die Variation geeigneter Lernmethoden, z. B. Gruppen- oder Projektarbeiten, digitale Medien und Lernplattformen, handlungsorientierte Methoden usw.
  • Die bewusste Einbeziehung von Reflexionsphasen und gegenseitigem Feedback in den Lernprozess.
  • Die systematische Dokumentation der Kompetenzentwicklung und des Lernfortschritts.
  • Die nachvollziehbare und entwicklungsorientierte Bewertung der individuellen Leistungen.

 

Ein zentrales Ziel ist, dass Ausbilderinnen und Ausbilder ihr methodisches Repertoire erweitern und bewusst einsetzen – je nach Zielgruppe, Thema und Rahmenbedingungen.

3. Integration digitaler Medien und Lerntechnologien

Digitale Medien sind in der beruflichen Bildung längst angekommen. Der neue Rahmenplan macht dies deutlich: Digitalkompetenz ist keine Zusatzqualifikation, sondern fester Bestandteil einer professionellen und zeitgemäßen Ausbildungspraxis.

Ausbilderinnen und Ausbilder sollen…

  • geeignete Lernplattformen, digitale Tools und Apps didaktisch sinnvoll einsetzen.
  • die Medienkompetenz ihrer Azubis gezielt fördern und stärken.
  • die Möglichkeiten einer digitalen Kommunikation und Kollaboration bewusst in den Ausbildungsalltag integrieren, z. B. durch Online-Absprachen, virtuelle Meetings, digitale Kollaborationstools usw.
  • passende E-Learning-Elemente, wie z. B. Blended Learning oder Lernvideos reflektiert einsetzen, um individuelle Lernprozesse zu fördern.
  • die Azubis beim Einsatz von KI im Unternehmenskontext und den damit einhergehenden Chancen und Risiken unterstützen.
  • die Lernenden beim Umgang mit digitalen Medien und KI auch für Themen wie Datenschutz und Urheberrecht sensibilisieren.

 

Ausbilderinnen und Ausbilder übernehmen damit eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer modernen, digitalen Lernkultur und leisten einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung zukunftsrelevanter Kompetenzen in der Ausbildung. Auch die eigene Weiterbildung in digitalen Ausbildungsthemen wird künftig immer wichtiger werden.

4. Heterogenität wertschätzen – Vielfalt gestalten

Der neue Rahmenplan stärkt die pädagogische Haltung gegenüber unterschiedlichen Lernvoraussetzungen. Denn Auszubildende bringen heute vielfältige Hintergründe mit:

  • unterschiedliche Schulabschlüsse
  • variierende Wissensstände und Bildungsstandards
  • heterogene Sozialisation und familiäre Unterstützung
  • verschiedene kulturelle Voraussetzungen
  • Migrations- und Fluchterfahrungen
  • mögliche Sprachbarrieren sowie
  • individuelle Förderbedarfe.

 

Auch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Generationen im Unternehmen verstärkt die Heterogenität. Diese Vielfalt wird jedoch nicht als Problem, sondern als Chance gesehen. Ausbilderinnen und Ausbilder sollen lernen, wie sie

  • Azubis individuell fördern
  • barrierearme Lernumgebungen schaffen
  • kulturelle und sprachliche Unterschiede sensibel berücksichtigen und
  • Diskriminierung vorbeugen.
5. Interkulturelle und soziale Kompetenzen entwickeln

Neben Fachwissen gehören auch sogenannte „Soft Skills“ zur Ausbildungsqualität: Empathie, Konfliktfähigkeit, ein sachlicher und lösungsorientierter Umgang mit Problemen sowie Kommunikations- und Teamfähigkeit werden in Lehr- und Lernsituationen immer wichtiger. Interkulturelle Sensibilität hilft, Missverständnisse zu vermeiden und wertschätzende Beziehungen aufzubauen. Ausbilderinnen und Ausbilder übernehmen auch in diesem Bereich eine Vorbildfunktion und sollen Verständnis und Wertschätzung für andere Kulturen im Unternehmen vorleben. Hier spielen neben Offenheit für andere Perspektiven und Sichtweisen auch Respekt und Toleranz sowie eine flexible Reaktion auf kulturelle Unterschiede und Missverständnisse eine wichtige Rolle.

Aber auch das Thema psychische Gesundheit – etwa Umgang mit Überforderung oder Prüfungsängsten – wird im neuen Rahmenplan stärker berücksichtigt.

6. Nachhaltig ausbilden – mit Blick auf die Zukunft

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Thema in klassischen Umweltberufen, sondern betrifft alle Unternehmensbereiche und Branchen. Der neue Rahmenplan unterstützt die Vermittlung von:

  • ökologischer Verantwortung, z. B. Ressourcenschonung. Müllvermeidung oder Recycling
  • ökonomischem Denken, z. B. Wirtschaftlichkeit und Effizienz sowie
  • sozialer Gerechtigkeit, z. B. faire Arbeitsbedingungen oder Diversity.

Ziel ist es, die Auszubildenden zu verantwortungsvollem Handeln zu befähigen – und zwar sowohl im Betrieb als auch in der Gesellschaft und im privaten Umfeld.

7. Neue Wege der Nachwuchsgewinnung - Ausbildungsmarketing im digitalen Zeitalter

Einen weiteren Schwerpunkt legt der neue AEVO-Rahmenplan auch auf die Themen zeitgemäßes Ausbildungsmarketing und modernes Onboarding von Azubis. Hintergrund in die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt: Viele Betriebe finden keine passenden Bewerberinnen und Bewerber mehr. Deshalb werden Ausbilderinnen und Ausbilder gezielt sensibilisiert, wie sie:

  • Ausbildungsplätze online attraktiv präsentieren
  • Social-Media-Plattformen nutzen
  • Jugendliche gezielt ansprechen
  • an Messen, Schulkooperationen und Berufsorientierung teilnehmen sowie ein
  • ein professionelles Onbarding ermöglichen können, um Azubis möglichst schnell ins Unternehmen zu integrieren und mögliche Ausbildungsabbrüche zu reduzieren.

 

Ein modernes Ausbildungsmarketing und Onboarding-Konzept hilft nicht nur dem Unternehmen, sondern auch potenziellen Azubis, passende Betriebe zu finden.

Fazit: Ein Rahmen für zukunftsfähige Ausbildung

Der neue AEVO-Rahmenplan ist mehr als eine inhaltliche Aktualisierung. Er ist ein praxisorientiertes Werkzeug, um Ausbildung modern, wirksam und menschlich zu gestalten. Ausbilderinnen und Ausbilder erhalten dabei nicht nur theoretisches Wissen, sondern konkrete Impulse für ihre tägliche Arbeit.

Wichtig ist: Der Rahmenplan ist keine Checkliste, sondern ein Angebot zur Weiterentwicklung. Wer junge Menschen heute ausbildet, gestaltet aktiv die Arbeitswelt von morgen – und sorgt gleichzeitig für die dringend benötigten Fachkräfte.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem neuen AEVO-Rahmenplan? Haben Sie bereits erste Veränderungen in der Ausbildungspraxis bemerkt? Ich freue mich über Kommentare und auf den direkten Austausch per Mail an info@pruefung-erfolg.de.

 

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Nadine Jungfleisch

Personalentwicklerin, Lerncoach, Ausbilderin und Autorin mit fast 20 Jahren Erfahrung in der Aus- und Weiterbildung im kaufmännischen Bereich.

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